Unsere BDP erfindet die "Aktivsenioren"

Aktive Seniorinnen und Senioren melden sich zu Wort, auch in der Politik.

Eine neue, starke Kraft will mitmachen.
Erich Gerber, Mitglied BDP Stadt Zürich

Wie aus einer grossen Studie von Ernest Dichter vom Jahr 2000 hervorgeht, melden sich seit etwa 10 Jahren immer mehr aktive, lebensbejahende und dynamische Senioren zu Wort: Sie verbinden die Lebensphase zwischen 60 und 80 immer weniger mit der Vorstellung des Ruhestandes, dafür immer mehr mit einer Zeit, in der sich manches verwirklichen lässt, was man lange als Wunschvorstellung vor sich hergeschoben hat. Was früher als dritte und letzte Lebensphase betrachtet wurde, scheint sich nach und nach zu einem sehr aktiven, intensiven und individuell geprägten Lebensabschnitt zu entwickeln, in dem sich vieles verwirklichen lässt.
„Alter“ ist also nicht unbedingt mit „Verlust“gleichzusetzen, sondern kann in manchen Bereichen auch einen Zugewinn an Lebensqualität bedeuten.

Die einseitige Ausrichtung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auf die jüngere Generation könnte ihren Zenith überschritten haben - zugunsten einem vermehrten Zusammenwirken verschiedener Altersgruppen an den wichtigen Entscheidungen.

Die Aktivseniorinnen und Aktivsenioren

Diese älteren Mitmenschen, die gemäss der erwähnten Studie in unserer Zivilge-sellschaft noch mehr gebraucht werden und mitmachen wollen, möchte ich als Aktivsenioren und Aktivseniorinnen bezeichnen. Sie sind Bürgerinnen und Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten wie Jüngere. Durch die Ausübung ihres Wahl- und Stimmrechts haben sie die Möglichkeit, auf die Gestaltung der Politik im kommunalen, kantonalen und nationalen Rahmen Einfluss zu nehmen. Da es für die Wählbarkeit in Parlamente keine Altersgrenzen gibt, steht ihnen grundsätzlich der Weg frei, auch in politischen Gremien mitzuwirken.

Wenig Interesse in den politischen Parteien

Die Wirklichkeit sieht allerdings oft anders aus: So zeigen politische Parteien oft wenig Interesse, ältere Menschen auf ihre Liste zu setzen, da dies vermeintlich ihrem Image der „Jugendlichkeit“ schaden könnte. Hier bedarf es einer Sensibilisierungs-arbeit, damit Parteien und Gremien die Erfahrungen und Sichtweisen älterer Menschen nicht vernachlässigen, sondern diese offen ermutigen, sich ebenfalls für das Gemeinwohl zu engagieren.

Ist es nicht paradox, dass die Zahl der älteren Menschen ständig wächst, ohne dass ihr politischer Einfluss damit Schritt halten kann? Das muss zu einem öffentlichen Thema werden. Die Frage nach der „Alters- und  Generationen-verträglichkeit“ kommunaler, kantonaler und eidgenössischer Politik sollte eines Tages so selbstverständlich werden wie jene nach der Umwelt- oder Wirtschafts-verträglichkeit.

Das Alter sollten wir aber nicht idealisieren: Einschränkungen und Verluste begrenzen den Lebensraum viel deutlicher als dies in jüngeren Jahren der Fall gewesen ist. Doch aus Schwächen können neue Kräfte wachsen.

In unserer Gesellschaft entwickelt sich seit einigen Jahren fast unbemerkt eine tiefgreifende, gesellschaftliche Veränderung: eine neue, starke Kraft beginnt sich zu etablieren, jene der aktiven, lebensbejahenden und dyna-mischen Senioren, die die Lebensphase zwischen 60 und 80 immer weniger mit der Vorstellung des „Ruhestandes alter Menschen“ verbinden, dafür aber immer mehr Lust empfinden, Neues zu unternehmen und sich selber noch besser zu verwirklichen.

Studie des Institutes Ernest Dichter SA

Dies ist das Ergebnis von detaillierten Studien, die das Institut Ernest Dichter SA in den Jahren 1991 und 2000 bei rund 900 Personen im Alter von 50 bis 80 Jahren in der ganzen Schweiz durchgeführt und die Entwicklungen in diesen 10 Jahren verglichen hat. In den nächsten vierzig Jahren, so das wahrscheinlichste Szenario, wächst in unserem Land die Gruppe der 65- bis 79-Jährigen um 53 Prozent, von 962'000 auf 1,472 Millionen Personen. Sie werden dann etwa 18 Prozent der Bevölkerung ausmachen (heute 12 Prozent). Und der Bevölkerungsanteil der 80plus wird sich verdoppeln - auf zehn Prozent.

Waren die Begriffe Altsein, Ruhestand und Rentner früher eher mit Stillstand, Niedergang und gesundheitlichem Verfall besetzt, sehen viele „Aeltere“ heute gesund, kräftig, rüstig, lebenslustig und gepflegt aus. Altern wird fliessender und damit grenzenlos, heterogen und individueller denn je. Der Wunsch, weiterhin gebraucht zu werden, wird aus dieser Befragung deutlich.

Aufgrund ihrer Lebenserwartung haben 60-jährige Menschen noch einen Viertel ihres Lebens vor sich… Was machen sie damit? Was können und wollen wir ihnen empfehlen, wie können wir ihnen auch als Partei dabei noch besser und wirkungsvoller behilflich sein?

Ich weiss, dass sich viele private Organisationen mit staatlicher Hilfe (sog. NGO)  um das Los und Wohl unserer älteren Mitmenschen kümmern und sorgen wie z.B. Pro Senectute, der Zürcher Senioren- und Renterverband (ZRV) mit dem Zürcher Forum 50plus, Innovage, 50plus, 60plus und viele andere.
Das ist nötig und wichtig.

Diese älteren Mitmenschen strahlen deutlich mehr Selbstbewusstsein aus als je zuvor. Demnach fühlen sich rund 60 Prozent der befragten älteren Menschen um 10 Jahre jünger als sie sind. Sie empfinden sich bis 60 nicht als „alt“, fühlen sich geistig und körperlich fit - wobei natürliche Abnützungser-scheinungen“ mit einbezogen werden. Viele sind zunehmend zufrieden – immer mehr von ihnen haben den Mut und auch die wirtschaftliche Möglichkeit, neue Herausfor-derungen anzunehmen, ihren persönlichen Lebensstil zu leben, diese neue Freiheit zu gestalten und zu geniessen.

Die neue Freiheit ist nicht unbedingt arbeitsorientiert. Sie kann andere Facetten der persönlichen Identität entwickeln.

Gerade weil ich schon 82-jährig bin, möchte ich mich selber zu diesen „Aktiv-senioren“  zählen und mich in Zukunft noch vermehrt für diese wichtigen Kreise und Belange unserer Gesellschaft engagieren, allenfalls auch politisch.

Gehört der „Ruhestand“ mit 65 Jahren der Vergangenheit an?

Gemäss der erwähnten Studie gehört der allgemeine Ruhestand mit 65 Jahren schon der Vergangenheit an. Neben und nach der Erwerbsarbeit scheinen gesunde „Aktivseniorinnen und -senioren“ heutzutage Lust zu haben, „jetzt erst recht“ – aber anderweitig! - aktiv und produktiv zu sein.
Auch im zwischenmenschlichen Bereich - sogar in der Kultur - steigen die Erwar-tungen und Anforderungen. Der „Lebensabend“, den sich frühere Generationen vorstellten, scheint sich somit immer mehr in die Zeit nach 80 zu verschieben – in eine vierte und bis auf weiteres wirklich letzte Lebensphase.

Wie „wir“ in Zukunft altern, wohnen und gepflegt werden, gewinnt somit immer mehr an Aktualität und Bedeutung.
Manche Aeltere sind finanziell aber nicht auf Rosen gebettet, andere müssen sich gesundheitlich „abplagen“, und das Wohnen wird für manche zum Problem.
70 Prozent der sog. „Trendsetter“ unter uns älteren Menschen wollen wenn möglich ihre bisherige Wohnsituation beibehalten.

Was erwarten wir vom Staat?

Vom Staat wird erwartet, dass er nebst gesundheitlichen Einrichtungen auch für geeigneten Wohnraum sorgt. Der Trend, in den eigenen vier Wänden zu bleiben, vielleicht mit einem oder zwei Zimmern weniger, wird sich noch verstärken.

Soziale Aspekte gewinnen gegenüber technischen auch in der Wohnungsplanung an Wichtigkeit. Da das Altern offenbar immer anspruchsvoller und anstrengender wird, wächst das Bedürfnis nach Dienstleistungen nicht nur im Pflegebereich, sondern nach allem, was diesen Prozess vereinfacht und erleichtert.

Das Bedürfnis nach Mobilität bleibt konstant: Das Reisen hört nicht auf und wo es geeignete Orte gibt, fühlt man sich weltweit zu Hause. Die zahlreichen Angebote für Kreuzfahrten in der ganzen Welt sind der Beweis.
Die finanziellen Zwänge werden immer grösser: Um das gewünschte „Alter“ überhaupt finanzieren zu können, wird es in absehbarer Zeit wohl nötig sein, das Rentenalter bedeutend höher anzusetzen und diesbezüglich viel mehr Flexibilität ins System zu bringen.

Solche tiefgreifende Wandlungen können nicht ohne entsprechende Konse-quenzen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik bleiben – vor allem wenn man die gewaltige Kaufkraft dieser „Aktivsenioren“ in die Waagschale wirft – mit dem Erfahrungspotential und der restlichen Dynamik dieser Personen: Was lässt sich daraus noch alles bewerkstelligen und in die Wege leiten?

Die Wirtschaft wird sich überlegen, wie sie dieses bedeutende Potential noch besser nutzen kann als bisher.

Viele wichtige Impulse werden aus dieser Bevölkerungsgruppe kommen, die ihre Erfahrung und ihr über Jahre aufgebautes Wissen mit der Kraft zu neuen Auf- und Durchbrüchen sowie zu neuen Denk- und Handlungsweisen verbinden wird.

In der Politik wird man sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die einst so hoch gelobte Altersguillotine vorbei ist, dass dem Alter ein neuer Stellenwert eingeräumt werden muss.
Wird die Funktion des "Seniorenrates" in der Stadt Zürich unter dem Einfluss dynamischer Aktivsenioren neu interpretiert und losgelöst von seiner archaischen Form zu neuem Leben erwachen?

„Die einseitige Ausrichtung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auf die jüngeren Generationen könnte ihren Zenith überschritten haben – zugunsten einer pluralistischeren Partizipation der Altersgruppen an den
Entscheidungsprozessen.“ (Zitat aus der erwähnten Studie)

Geht es um den „Glücksfall der Geschichte“?

Gemäss den Studienleitern Roland Krüger und Loring Sittler könnte dieser Trend sogar zum Glücksfall der Geschichte werden: 

„Aeltere Menschen sind keineswegs als Bürde des Sozialstaats zu sehen, sondern vielmehr als eine seiner wichtigsten Ressourcen.“

Golfspielen, Kreuzfahrten und Fernsehkonsum reichen nicht aus, um das Alter sinnvoll zu bewältigen.“Jeder dritte Suizid in der Schweiz betrifft einen Rentner (weit häufiger als eine Rentnerin). Wer nicht mehr gebraucht wird, ist sozial isoliert und weiss in schwierigen Lebenslagen nicht weiter.

Das gängige Muster, die keine Weiterbildung nach 50 und Frühpensionierungen empfiehlt, scheint heute eine bevorzugte Massnahme beim Stellenabbau zu sein.
Vom AHV-Alter 67 zu reden, tönt geradezu zynisch.

Was verstehen wir unter „Alterspolitik“?

Unter Alterspolitik werden Massnahmen des Staates (Bund, Kantone und Gemein-den) verstanden, die Einfluss auf die Lebenssituation der älteren Bevölkerung haben. Wichtig sind insbesondere die Sicherung eines angemessenen Einkommens und die Förderung der gesellschaftlichen Partizipation und der Integration der älteren Menschen.

Die Alterspolitik tangiert zahlreiche Themen

In einem weiteren Sinn tangiert Alterspolitik zahlreiche Themen und politische Bereiche, zum Beispiel:

  • Soziale Sicherheit
  • Raumplanung, Wohnen und Mobilität
  • Arbeitsmarkt und ältere Arbeitskräfte
  • Statistik (Bevölkerungsszenarien)
  • Erwachsenenschutzrecht
  • Ältere Migrantinnen und Migranten
  • Freizeit, Sport und Bewegung
  • Pflege und Betreuung von älteren Menschen
  • Kommunikation
  • Forschung
  • Generationenbeziehungen
  • Gleichstellung der Geschlechter

Sowohl der Kanton Zürich als auch die Stadt Zürich haben ihre Alterspolitik formuliert und publiziert. Die Altersstrategie der Stadt Zürich stammt vom Juni 2012.

Zur Rolle der „Aktivsenioren“ in der Politik

Aeltere Frauen und Männer sind Bürgerinnen und Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten wie Jüngere. Durch die Ausübung ihres Wahl- und Stimmrechts haben sie die Möglichkeit, auf die Gestaltung der Politik im kommunalen, kantonalen und nationalen Rahmen Einfluss zu nehmen. Da es für die Wählbarkeit in Parlamente keine Altersgrenzen gibt, steht ihnen grundsätzlich der Weg frei, auch in politischen Gremien mitzuwirken.

Die Wirklichkeit sieht allerdings oft anders aus: Wer im AHV-Alter eine politische Karriere einschlagen will, stösst auf Skepsis.

So haben politische Parteien oft wenig Interesse, ältere Menschen auf ihre Liste zu setzen, da dies ihrem vermeintlichen Image der „Jugendlichkeit“ schaden könnte. Politische Alterslimiten sind nicht nur diskriminierend, sondern verfassungswidrig.

Hier bedarf es einer Sensibilisierungsarbeit, damit Parteien und Gremien die Erfahrungen und Sichtweisen älterer Menschen nicht vernachlässigen, sondern ältere Menschen ermutigen, sich für das Gemeinwohl zu engagieren.

Das Alter nicht idealisieren

Dabei darf man das Alter aber nicht idealisieren: Einschränkungen und Verluste begrenzen den Lebensraum viel deutlicher als dies in jüngeren Jahren der Fall gewesen ist. Doch aus Schwächen können neue Kräfte wachsen.

Das Paradox, dass die Zahl der älteren Menschen wächst, ihr politischer Einfluss aber der demographischen Entwicklung nicht entspricht, muss zu einem öffent-lichen Thema werden.

Viele Fragen, die mit dieser Entwicklung eng verknüpft sind, werden heute noch nicht als Altersfragen wahrgenommen. Dabei geht es nicht nur um die Ausge-staltung des Gesundheitswesens, sondern beispielsweise auch um Themen wie Raumplanung und Mobilität.
 
Die Frage nach der „Alters- und Generationenverträglichkeit“ kommunaler, kantonaler und eidgenössischer Politik sollte eines Tages so selbstverständlich werden wie nach der Umwelt- oder Wirtschaftsverträglichkeit.

In der repräsentativen Demokratie - in der nun auch ältere Semester mitreden sollen - wird sich das Gewicht der neuen Senioren-Generation zweifellos nach-haltig verstärken.Die Stimme der politisch engagierten Senioren wird weniger eine „Stimme der Alten und Unbelehrbaren“, sondern vielmehr eine Stimme der Erfahrenen, Aktiven und im Geiste jung Gebliebenen sein.“

Neue Marktpotentiale für die Wirtschaft

Eine „Herrschaft der Alten“ (sog. Gerontokratie) ist nicht zu befürchten. Dank vermehrter körperlicher und geistiger Fitness sowie höherer Lebenserwartung schafft sich diese Generation neue Lebensqualitäten und neue Optionen.

Daraus eröffnen sich für die Wirtschaft - vorab für die Konsumgüter- und Dienst-leistungsbranchen - neue attraktive Marktpotentiale.

Zum Schluss ein wenig Statistik

In der Schweiz sind heute 1‘113 Frauen und 218 Männer über 100-jährig, doppelt so viele wie vor 10 Jahren.

In den nächsten 40 Jahren wird die Gruppe der 65 bis 79-Jährigen in unserem Land um 53 % von 962'000 auf 1,472 Mio Personen steigen. Das entspricht 18 Prozent der Bevölkerung (heute 12%).


Schluss