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NZZ am Sonntag vom 29.Juli 2018
Meinungen / Der externe Standpunkt
«Ein neuer Dienst am Vaterland»

In der Schweiz sollte ein Bürgerdienst für alle eingeführt werden.
von Noémie Roten (Gastautorin) 28.7.2018

Das Milizsystem ist unter Druck. Um den Gemeinsinn zu stärken und die Armeebestände zu sichern, sollten wir anstelle der Wehrpflicht für Männer einen Bürgerdienst für alle prüfen.

Trotz sukzessiver Senkung der Armeebestände wird es immer schwieriger, Kader zu rekrutieren und gut ausgebildete Soldaten längerfristig einzu-binden.

Der 1. August bietet Gelegenheit, sich Gedanken darüber zu machen, was die Bürger miteinander verbindet und inwieweit das heutige Gesellschafts-modell für die Zukunft taugt. Zum Beispiel das Milizsystem: Es war bis anhin Ausdruck des Schweizer Staatsverständnisses, dass jeder nach seinen Möglichkeiten einen Beitrag zum Gemeinwesen leistet.

Dies erfordert ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein der Bürger und hat viel zum politischen Erfolg unseres Landes beigetragen. Die aktive Beteiligung der Bevölkerung an öffentlichen Angelegenheiten schafft eine starke Bindung zum Staat und stärkt die direkte Demokratie.

Noémie Roten arbeitet beim liberalen Thinktank von Avenir Suisse als Senior Researcherin. Daneben engagiert sich die studierte Volkswirtin als Militärersatzrichterin, Soldatin in der Schweizer Armee und als Vizepräsidentin von servicecitoyen.ch, einem Verein, der sich mit der Einführung eines Bürgerdiensts in der Schweiz beschäftigt.

Doch unser Milizsystem steht unter Druck. Die individuellere Lebens-gestaltung, höhere berufliche Anforderungen, das – durchaus gewollte – stärker Engagement der Frauen im Beruf sowie die Lockerung traditioneller Bindungen führen dazu, dass die institutionalisierte Freiwilligenarbeit in der Schweiz seit Jahren abnimmt.
Und auch wenn neue Formen der zivilgesellschaftlichen Partizipation auftauchen, verlieren klassischen Miliztätigkeiten an Attraktivität:
So engagieren sich immer weniger Menschen ehrenamtlich in Vereinen, sozialen oder karitativen Organisationen und in Interessenverbänden. National- und Ständerat wandeln sich zu Berufsparlamenten, und Gemeinden in allen Kantonen suchen händeringend nach Kandidaten für politische Ämter.

Auch die Armee ist betroffen. Trotz sukzessiver Senkung der Armee-bestände wird es immer schwieriger, Kader zu rekrutieren und gut ausgebildete Soldaten längerfristig einzubinden, was der nationalen Sicherheit auf Dauer abträglich sein könnte.

Oft wird implizit dem Zivildienst unlauterer Wettbewerb gegenüber der Armee vorgeworfen. Für die «nachhaltige Sicherung der Alimentierung der Armee» hat der Bundesrat im Juni eine Vernehmlassung zur Änderung des Zivildienstgesetzes eröffnet, damit weniger Junge zum Zivildienst zugelassen werden.

Zielführender wäre es, über eine grundlegende Reform der Wehrpflicht nachzudenken, statt das Problem allein bei der vermeintlich «überhöhten Attraktivität» des heutigen Zivildiensts zu suchen. Gefragt ist eine Reform, die sich stärker an den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft orientiert, das ehrsichern vermag.

Um die Milizkultur zu stärken, ist deshalb der Ersatz der heutigen Wehrpflicht durch einen allgemeinen Bürgerdienst zu prüfen. Er soll Schweizerinnen und Schweizer ebenso einbeziehen wie niedergelassene Ausländer und Ausländerinnen. Ein derartiger Bürgerdienst könnte wahlweise in der Armee, in einem Schutzdienst oder in einer zivilen Tätigkeit wie der Alterspflege, der Feuerwehr oder in einem politischen Amt absolviert werden.

Denkbar wäre, die angepeilte Dienstzeit von 200 bis 260 Tagen zwischen dem 20. und dem 45. Altersjahr zu absolvieren – eventuell sogar bis zum 70. Altersjahr, um die Bürgeraufgaben zwischen den Generationen besser zu verteilen. Damit würde gleichzeitig die bisher wenig zielführende Abgrenzung zwischen sogenannten Zivilisten und Armeeangehörigen überflüssig.

Es ginge nicht mehr darum, «die Armee attraktiver zu machen» oder den Zivildienst gegenüber der Armee abzuwerten, sondern um die Aufwertung verschiedenster Aufgaben im Dienste der Schweizer Allgemeinheit.

Heute sind junge Schweizer Männer bei der Absolvierung des Armee- beziehungsweise des Zivildienstes im Vergleich zu Frauen und Ausländern benachteiligt. Die Umwandlung der Wehrpflicht zu einem allgemeinen Bürgerdienst schüfe gleich lange Spiesse für alle. Gleichzeitig würde die Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen ihr sowieso vorhandenes gesellschaftliches Engagement institutionalisieren und besser sichtbar machen.

Denn noch immer erledigen die Frauen einen Grossteil der unbezahlten Arbeit wie Hilfeleistungen für Bekannte und Verwandte. 2016 waren es im Durchschnitt 30,1 Stunden pro Woche gegenüber 19,5 Stunden bei den Männern. Diese Art von Arbeit ist vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung besonders nutzbringend und wird nicht zuletzt deshalb unterschätzt, weil sie unentgeltlich erfolgt.

Meine persönliche Meinung

Wie auch aus meinem Leserbrief an die NZZ am Sonntag hervorgeht, finde ich diesen Vorschlag von Frau Noémie Roten für einen allgemeinen Bürgerdienst sehr interessant und prüfenswert. Ich habe meiner früheren Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) der Schweiz beantragt, dieses Projekt weiterzuverfolgen und zu unterstützen. Frau NR Rosmarie Quadranti war damit einverstanden. 

Erich Gerber 
Mitglied "Die Mitte" Stadt
partei Zürich

erich.gerber-zh@bluewin.ch

Tel. 044 414 34 15

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