Vortrag beim Männerstamm

Interessierte Zuhörer beim Männerstamm

Präsident Heinz Enderli, Fachfrau Fadibe und 10 Männer bei meinem Vortrag über Alfred Escher

Die Spanisch-Brötlibahn führte 1847 von Zürich nach Baden

Die Gotthardpost brauchte 50 Stunden von Basel nach Mailand (Gemälde von Rudolf Koller)

Denkmal von Richard Kissling

Alfred Escher

Männerstamm Alterszentrum Herzogenmühle

9.12.2019

Alfred Escher, Visionär, Unternehmer und Politiker

 Liebe Männer, liebe Anwesende bei diesem Stamm

Gerne präsentiere Euch jetzt wie gewünscht das Porträt einer ausser-gewöhnlichen Persönlichkeit aus der Schweizer Geschichte.

Ich tue es auf Schweizerdeutsch, wenn Ihr einverstanden seid.

Wie Ihr alle wisst, gehört die Schweiz heute zu den liberalsten und wohlhabendsten Ländern der Welt.

Das ist sicher auch das Werk grosser Unternehmer und Politiker aus dem 19. Jahrhundert. Gelegentlich an sie zurückzudenken, ihre Leistungen gebührend zu würdigen und von ihnen zu lernen, gehört sich – vor allem auch, weil der Betreffende in Zürich gross geworden ist.

Hier zeige ich sein Bild.

Stellt Euch vor:

Mit 25 Jahren war er Privatdozent für Jus an der Uni Zürich und Mitglied des Zürcher Grossen Rates (heute Kantonsrat).
Mit 29 bereits Zürcher Regierungsrat und Nationalrat, im Alter von 30 Jahren zum ersten Mal Nationalratspräsident.

Mit 34 Direktionspräsident der Nordostbahn, mit 37 Jahren Verwaltungs-ratspräsident der Schweizerischen Kreditanstalt:

Ja, ich spreche über den grossen Visionär, Unternehmer und Politiker Alfred Escher.

Ja, Alfred Escher hatte Visionen, die die heutige Schweiz stark beeinflusst und verändert haben.

Herkunft und Familie

Alfred Escher wurde 1819 in Zürich geboren. Sein Familienname hatte in dieser Stadt einen besonderen Klang. Seit Jahrhunderten gehörten die Eschers nämlich zu den wenigen führenden Familien unserer Stadt. Zürich war die reichste und mächtigste  Stadt der alten Eidgenossenschaft.
„Bis 1798“ - so der Historiker Gagliardi – „stellte die weitverzweigte Familie Escher fünf Bürgermeister, 45 Mitglieder des kleinen und 82 des grossen Rates, zwei Stadtschreiber, 34 Obervögte und 29 Landvögte. In der europäischen Nachbarschaft hätte man von Hochadel gesprochen, doch das war ja die Schweiz, das bürger-lichste Land der Welt:“
Neben ihren Ämtern waren die Eschers stets auf andere Erwerbsquellen angewiesen, sie waren Tuch- und Seidenhändler, Baumwollfabrikanten und Offiziere in fremden Diensten.

Alfred Escher wuchs im Quartier Enge auf. Hier zeige ich Euch sein Geburtshaus „Neuberg“ am Hirschengraben. Bis zuletzt lebte er in der
Villa „Belvoir“, die sein Vater gebaut hatte.

(Heute ist dort das feine Restaurant der Hotelfachschule „Belvoirpark“ eingerichtet, das ich gerne empfehle.)

Der Politiker
Sein politisches Netzwerk knüpfte Alfred Escher schon in der Studentenverbindung Zofingia. 1846 wurde er zum Mitglied der Tagsatzungsgesandschaft gewählt.

Ab 6. November 1848 war er Vizepräsident des zum ersten Mal zusammengetretenen Nationalrats. Diesem Nationalrat gehörte er ununterbrochen bis zu seinem Lebensende an und war drei Mal dessen Präsident.
In seiner Karriere wirkte er in zweihundert Kommissionen mit. Seiner Machtfülle wegen wurde er spöttisch auch König Alfred und Zar von Zürich genannt.

Der Beginn des Eisenbahnzeitalters

Die Schweiz trat vergleichsweise spät in dieses Zeitalter ein.
Bereits 1825 hatte in England die erste Bahnlinie ihren regulären Betrieb aufgenommen. Die frühesten Bahnstrecken auf dem europäischen Festland wurden in den 1830er Jahren gebaut.
Zu dieser Zeit wurde die Eisenbahnfrage zwar auch in der Schweiz thematisiert. Über Diskussionen bezüglich Linienführungen kam man in unserem Land allerdings kaum hinaus: Das politische System der Tagsatzung war für derartige Neuerungen zu träge. <

Die Alte Eidgenossenschaft war eine Art „Staatenbund“ mit Gebietseinheiten, die durch unzählige Zölle, unterschiedliche Masse, Währungen und Rechtssysteme getrennt waren.
Hinzu kamen konfessionelle Auseinandersetzungen, die die Sicht auf vordringliche materielle Fragen verstellten.

1844 erreichte die erste Eisenbahn die Schweizer Grenze: Basel wurde an die französische Linie Strassburg–St. Louisangeschlossen.

1847 konnte endlich die erste kurze Schweizer Bahnlinie, die sogenannte Spanischbrötlibahn von Zürich nach Baden (23,3 km), eröffnet werden. Sie gehörte der Nordostbahn.
Im selben Jahr wurden die schwelenden Konflikte zwischen den Kantonen im Sonderbundskrieg mit Waffengewalt ausgetragen.

Ein Jahr später (1848) war der neue Bundesstaat geboren. Doch auch danach stand die Eisenbahn nicht zuoberst auf der politischen Agenda. Jene, die das Thema als lebenswichtig erkannt hatten, waren sich auch dessen Sprengkraft bewusst: Regionale Grabenkämpfe waren vorprogrammiert und drohten die Bevölkerung in unversöhnliche Regionalparteien zu spalten.

Alfred Escher als Eisenbahn-Visionär 
(Andere grosse Werke erwähne ich später.)

Alfred Escher, bisher in Bahnfragen ein unbeschriebenes Blatt, setzte sich 1849 als Nationalratspräsident nachdrücklich für den Bau von Eisenbahnen ein. In der Eröffnungsrede zur Herbstsession sagte er, «daß wir jene Schöpfungen, welche dringende Bedürfnisse unserer Zeit gebieterisch fordern, von Bundeswegen ins Leben rufen. Dazu zählt an erster Stelle die Eisenbahnangelegenheit».
Das war seine geniale Vision.

Aufgrund einer Motion von Alfred Escher hat der Nationalrat im Juli 1852 ein Eisenbahngesetz genehmigt. Darin war aufgeführt, dass man den Gesellschaften möglichst Freiheit lasse und der Bund Konzessionen nur aus militärischen Gründen verweigern dürfe.

Schon früh setzte sich Escher für eine schweizerische Alpenbahn ein. Er war zuerst für eine Lukmanier-Linie ein, schwenkte aber nach gründlichen Studien auch auf die Erstellung einer Gotthardbahn um. Auf seine Initiative schlossen sich im August 1863 15 Kantone und die beiden Gesellschaften Centralbahn und Nordostbahn zu einer "Vereinigung zur Anstrebung der Gotthardbahn" zusammen.

Escher beteiligte sich im Ausschuss an den Verhandlungen mit Geld-gebern, eidgenössischen und kantonalen Behörden, den Nachbar-staaten Deutschland und Italien sowie weiteren Gruppierungen.

So siegte schliesslich der Gotthard über die anderen Alpenbahn-projekte.

1872 wurde Alfred Escher an die Spitze der Gotthardbahn-Verwaltung berufen und Mitte 1873 begannen die Bauarbeiten an der Bahn. Ungeheure Schwierigkeiten und grosse Mehrkosten belasteten den Bau.

Es folgten heftige Vorwürfe in Richtung des Direktionspräsidenten Escher und als auch noch der bisherige Gesellschaftssitz von Zürich nach Luzern verlegt werden sollte, warf Alfred Escher das Handtuch und reichte am 2. Juli 1878 seinen Rücktritt ein.

Zum Durchstich des Tunnels 1880 wurde er nicht eingeladen. Als am 1. Juni 1882 die Gotthardbahn eingeweiht wurde, konnte Escher - vom Tod gezeichnet - nicht daran teilnehmen. Ende desselben Jahres 1882 ist er im Alter von 63 Jahren verstorben.

1882 feierte die Schweiz mit der Eröffnung der Gotthardlinie ein modernes Weltwunder, einen grandiosen Triumph von Wissenschaft und Technik: die Bezwingung des helvetischen Alpenriegels. Die Gotthardbahn war damals das weltweit kühnste eisenbahntechnische Unternehmen und ist das grösste Projekt geblieben, das in der Schweiz bis Ende des 20. Jahrhunderts realisiert worden ist.

Die Eröffnung der Gotthardbahn mit dem damals längsten Tunnel der Welt bedeutete für die Schweiz einen Epochensprung. Sie verwandelte den Nachteil ihrer Binnenlage in einen Transitvorteil und öffnete die Schweiz dem Weltverkehr mit Anschluss via Rotterdam an Amerika und via Genua und den Suezkanal an Fernost.

Der Temposprung von der Kutsche zur Bahn verschaffte der Schweiz den entscheidenden Vorteil im kontinentalen Verkehr. 

Zur Kutschenzeit dauerte eine Fahrt von Basel nach Mailand 50 Stunden. Die Gotthardbahn reduzierte diese Reise auf 10 Stunden und multiplizierte die Frachtkapazität um ein Vielfaches.

Aus der Sackgasse Schweiz wurde eine Drehscheibe. Die erste Hochleistungsachse durchs Herz der Alpen war für unser Land der wesentliche Schritt zur Globalisierung. Dank ihr konnte sie sich vom Agrarstaat zum modernen, weltweit vernetzten Industrie-, Finanz- und Forschungsplatz entwickeln.

Kein anderes Bauwerk hat die Schweiz tiefgreifender und nachhaltiger verändert. Und es gibt wohl kein anderes Land, dessen Rolle und Identität im gleichen Mass von einem einzigen Bauwerk geprägt worden ist.

Zum Bau der Gotthardtunnels

Es mag Euch interessieren, dass die seitliche Abweichung des 15 km langen Gotthardtunnels von 1882 nur 33 cm betrug, in der Höhe bloss
5 cm. Beim Bau gab es leider insgesamt 177 Todesopfer zu beklagen.

Beim  Bau des 57 km langen Gotthard-Basistunnels, der 2016 fertig erstellt wurde, hat die Abweichung höchstens 1 cm betragen. 

Insgesamt wurden bei diesem Werk 28 Millionen Tonnen Fels und Gestein aus dem Berg herausgebrochen und abtransportiert.

Die Baukosten haben im Juni 2016 CHF 12 Milliarden betragen.
Die neuen AlpTransit-Reisezüge fahren mit einem Tempo von 200 bis 250 km/h hindurch, die schnellsten Güterzüge mit bis 160km/ h.

Alfred Escher als Korrespondent

Bereits in seiner Jugendzeit war Escher ein eifriger und versierter Briefschreiber. Als Politiker und Unternehmer korrespondierte er mit allen Grössen der damaligen (liberalen) Schweiz.

Bis Ende 2007 hat die gemeinnützige Alfred Escher-Stiftung insgesamt rund 4’380 Briefe von und an Alfred Escher gesammelt; 1’030 davon stammen von Escher selbst. Im Herbst 2011 werden diese Briefe im Internet publiziert.

Zum Schluss zitiere ich die Würdigung Alfred Eschers durch Walter B. Kielholz, den Verwaltungsratspräsidenten der Credit Suisse.

Anlässlich des 150 Jahr-Jubiläums dieser Bank im Jahr 2006 hat er über Alfred Escher Folgendes gesagt:

„Alfred Escher hat die Entwicklung der Schweiz geprägt wie vor und nach ihm kaum jemand. Im jungen Bundesstaat verhalf er der Neutralitätspolitik zum Durchbruch und verhinderte so, dass die Schweiz militärisch in europäische Wirren hineingezogen wurde.

Als Promotor der Nordostbahn und der Gotthardbahn (SBB), des Polytechnikums (ETHZ), der Schweizerischen Kreditanstalt (Credit Suisse) und der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (Swiss Life) wies er der modernen Schweiz in ihren ersten Jahrzehnten den Weg. Sein kometenhafter Aufstieg in wirtschaftliche und politische Spitzenpositionen, sein epochales Lebenswerk sowie sein tragisches Ende faszinieren noch heute.

Legendär ist seine unermüdliche Schaffenskraft und sein bedingungsloses Engagement für die Schweiz und den Kanton Zürich, beispiellos war die öffentliche Polemik um seine Person. Ausgerechnet jenes Projekt, womit er Weltgeschichte schrieb, brach ihm das Genick: die Gotthardbahn. Die bewegte Lebensgeschichte Alfred Eschers ist aktueller denn je:

Weil er die Weichen für eine weltoffene Schweiz stellte, steht sein  Denkmal am Eingang der Zürcher Bahnhofstrasse. Es wurde von Richard Kissling geschaffen.

Liebe Männerfreunde:  wenn Ihr nächstes Mal bei diesem Denkmal vorbei kommt, werft doch bitte einen Blick auf die mächtige Gestalt von Alfred Escher:

Er blickt erhaben ins Schweizer Wirtschafts-, Wissenschafts-  und
Finanzzentrum Zürich und kehrt unserer Bundesbahn den Rücken.

Ihr wisst jetzt auch warum.

Unser föderalistisches Land hat leider manchmal Mühe mit wirklich grossen Persönlichkeiten...

(Schluss)

Neueste Kommentare

26.09 | 09:03

super, find ich gut <33333

05.07 | 21:49

Guten Tag Erich Gerber. Mein Name ist Walter Müller . Werde am 2. ...

13.01 | 21:55

Lieber Erich. Vielen Dank für Deine sehr interessanten Jugenderinneru...

14.12 | 16:55

hallo erich... ... die fb-gemeinde wartet auf neuigkeiten aus...